Aktuelles
- Veränderungen in der Waldweide
Fotos: P. Helpap
Liebe Freunde der Waldbeweidung,
nach gut sechs Jahren Projektlaufzeit ist der Erfahrungsschatz mit dem Einsatz von Taurus-Rindern, den Abbildzüchtungen des ausgestorbenen Auerochsen, im Waldweideprojekt „Uhlstädter Heide“ groß. Eine Ganzjahresbeweidung mit wenigen Tieren auf großer Fläche im Wirtschaftswald, gibt es in Deutschland kein zweites Mal. Umso mehr fand dieses Projekt in der Fachwelt, aber insbesondere bei Tierhaltern und Landschaftsökologen, Aufmerksamkeit. Seit November 2018 wird das Areal rund um Hangeiche und Hintertal nahe Uhlstädt beweidet. Hierfür hat die Naturforschende Gesellschaft Altenburg einen Tierbestand von 15 Taurus-Rindern eingesetzt. 40 Hektar Wald standen jedem Rind ganzjährig zur Verfügung, was mit 0,025 Tieren pro Hektar einer sehr extensiven Beweidung entspricht. Eine positive Entwicklung von Flora und Fauna im Wald, beeinflusst durch die großen Graser, stellte sich schnell ein. Die Waldbewirtschaftung, insbesondere Waldbau und Holzernte, aber auch die Jagd, sollten nur wenige Beeinträchtigungen erfahren. Das war nicht immer konfliktfrei. Das Naturerlebnis für Waldbesucher stieg, auch wenn nicht jede*r das Glück hatte, die ursprungsnahen großen Tiere beobachten zu können. Besonders positiv hat sich die Anwesenheit der Rinder auf die Insektenwelt ausgewirkt. Der von den Rindern abgesetzte Dung ist Nahrungsgrundlage für viele Insektenarten, wie Dung- und Mistkäfer. Die Anzahl der Insekten stieg erheblich an. Insektenfressende Vogelarten, aber auch stark gefährdete Fledermausarten profitieren von mehr Beutetieren. So konnten im Rahmen der begleitenden Untersuchungen streng geschützten Arten, wie der Kleine Abendsegler und die Rauhautfledermaus, erstmals in der südlichen Heide nachgewiesen werden. Eine Zielart des Projektes, der Sperlingskauz, unsere kleinste einheimische Eulenart, brütet jetzt wieder im Areal der Waldweide. Ein toller Erfolg!
Eine Waldweide zu betreiben, wie sie historisch fast überall bestand, ist vor allem dann eine Herausforderung, wenn das Konzept der Ganzjahresbeweidung angewandt werden soll. Dieses sieht vor, dass die Tiere auch im Winter genügend Futter vorfinden. In einer größeren Landschaft würden wild lebende Tiere Bereiche aufsuchen, welche noch genügend Futter bieten. Das ist im Wirtschaftswald ohne größere, grasbewachsene Lichtungen nicht gegeben. Somit musste im Winter Heu zugefüttert werden. Aufwand und Nutzen standen hier in keinem guten Verhältnis. Frischer Rinderdung stellt vor allem an milden Wintertagen und im zeitigen Frühjahr eine wichtige Nahrungsgrundlage für Insekten dar. Für Insektenfresser, wie z.B. heimkehrende Zugvögel, kann das essentiell sein.
Somit haben die Natura 2000-Station, die Naturforschende Gesellschaft als Tierhalter und Projektträger und Thüringenforst als Eigentümer und Waldbewirtschafter entschieden, den Einsatz von Rindern im Wald zu modifizieren – weg von der Ganzjahresbeweidung, hin zur Sommerbeweidung. In einem Mosaik aus offenen Graslandschaften und lichtem Wald, ist die wildnisnahe Ganzjahresbeweidung eine hervorragende Möglichkeit, um die Artenvielfalt zu fördern.
Im Wirtschaftswald steht die Holzproduktion an erster Stelle. Der Einsatz von großen Grasern, wie Rindern, führt in solchen Wäldern schnell zu einem Erfolg für die Artenvielfalt. Jedoch ist der Aufwand der Zufütterung in Kombination mit der Holzernte im Winter unverhältnismäßig hoch. Fortführend soll in den kommenden Jahren eine Sommerbeweidung von April bis Oktober erprobt werden. Hat diese einen ähnlich positiven Effekt für die Artenvielfalt wie die Ganzjahresbeweidung? Dies kommt der kulturhistorisch praktizierten Waldweide nahe, bei der Nutztiere im Sommer in den Wald getrieben wurden.
Bis April 2024 wird der Landwirtschaftsbetrieb der Naturforschenden Gesellschaft Altenburg die Tiere auf andere Flächen umsetzen und teilweise vermarkten. Tiere aus der Uhlstädter Heide fanden schon einen neuen Lebensraum in der zweiten großen Beweidungslandschaft der Naturforschenden Gesellschaft. Diese befindet sich in der Bergbaufolgelandschaft nördlich von Altenburg, wo sich die Rinder gemeinsam mit Wasserbüffeln und Exmoor-Ponys ganzjährig eine Landschaft aus Wald, Grasland und Gewässern teilen.
Somit werden voraussichtlich bis zum Jahr 2025 keine Rinder in der Uhlstädter Heide stehen. Die Weideruhe ermöglicht es, die Entwicklung der Flora und Fauna ohne Rinderbesatz zu studieren und die nachfolgende Beweidung gemeinsam mit Forst und Tierhalter zu planen.